Noch immer gibt es zahlreiche Missverständnisse und Fehlannahmen bzw. Fehlinterpretationen beim Thema Stromverbrauch und Kryptowährungen. Roman Reher, Bitcoin-Experte und YouTuber „Der Blocktrainer“, hat sich zur Aufgabe gemacht, diese aus der Welt zu schaffen.
Dass das Bitcoin-Netzwerk eine enorme Menge an Energie respektive Strom benötigt, wurde bereits vielfach thematisiert. Oft ist von Vergleichen zu lesen, die den Stromverbrauch des Netzwerks mit dem kleiner Länder in Relation setzen oder von dem Begriff „Energieverschwendung“ anstelle von „Energieverbrauch“. Einmal davon abgesehen, dass das Bitcoin-Netzwerk mittlerweile Werte absichert, die im Bereich des Bruttoinlandsprodukts eben jener kleinen Länder liegen, wird viel zu selten auch die Nutzenseite betrachtet, wenn es um den Stromverbrauch geht.
Wie hoch ist der tatsächliche Energieverbrauch von Bitcoin und wie wird er berechnet?
Die Berechnung des tatsächlichen Energieverbrauchs des Bitcoin-Netzwerks ist nicht ganz einfach, weswegen im Grunde immer nur Schätzwerte geliefert werden können. Normalerweise wird der Energieverbrauch anhand der sogenannten „Mining Difficulty“ ermittelt, die ein öffentlich einsehbares Maß für die Schwierigkeit ist, einen neuen gültigen Block zu berechnen. Da die angepeilte Frequenz genauer gesagt „Blockzeit“ bei durchschnittlich 10 Minuten pro neuem Block liegt, wird die Schwierigkeit bei steigender Rechenleistung im Netzwerk, ebenfalls nach oben angepasst. Anhand der Mining Difficulty und der messbaren Blockzeit über einen längeren Zeitraum, kann entsprechend die tatsächliche im Netzwerk vorhandene Rechenleistung geschätzt werden. Durch das Heranziehen der Leistungsdaten der Mining-Computer kann entsprechend der Stromverbrauch geschätzt werden. Da man allerdings nicht genau weiß, welche Geräte in welcher Anzahl global verwendet werden, gehen die Schätzwerte für den Energieverbrauch teils weit auseinander. Laut einer Studie der Cambridge Universität liegt dieser aktuell zwischen 65 TWh (Terrawattstunden) und 230 TWh pro Jahr.
Welche Faktoren beeinflussen den Energieverbrauch von Bitcoin?
Zum einen die soeben genannte Mining Difficulty. Je höher diese ist, desto mehr wird alte Hardware unrentabel und ergo abgeschaltet. Die wohl wichtigsten Faktoren sind aber natürlich ökonomischer, sprich preislicher Natur. Die von den Minern zu bezahlenden Strompreise einerseits und natürlich auch der Bitcoinpreis andererseits spielen eine zentrale Rolle. Je niedriger die eigenen Kosten (Strompreis) sind und je höher die zu erwartende Rendite (Bitcoinpreis) ist, desto mehr Geräte werden die Profit-orientierten Mining-Unternehmen in Betrieb nehmen. Wichtig zu erwähnen ist jedoch, dass auch logistische Faktoren, wie z.B. die Produktion der Mining-Maschinen, sogenannter ASIC-Geräte, einen Einfluss auf den Energieverbrauch haben. Auch politische Faktoren (z.B. Steuern/Subventionen für Mining) spielen bereits heute und zukünftig vermutlich noch mehr, eine wichtige Rolle.
Welchen Anteil erneuerbarer Energien nutzen sogenannte Bitcoin-Miner tatsächlich?
Auch die Frage nach dem Energiemix lässt sich nur mit Schätzungen beantworten, da es zahlreiche unbekannte Faktoren gibt, die einbezogen werden müssen. Man müsste sämtliche Standorte von Mining-Geräten weltweit kennen und wissen, welchen Strom diese verwenden, was in der Praxis natürlich nicht handhabbar ist. Von der Cambridge Universität gibt es Schätzungen, die von etwa 40 % erneuerbaren Energien ausgehen. Die verwendete Methodik ist jedoch stark zu kritisieren, da viele Ungenauigkeiten in die Schätzungen einflossen – zum Nachteil des Bitcoin-Netzwerks. Laut den Industriedaten des sogenannten Bitcoin Mining Councils liegt der Anteil der Erneuerbaren bei etwa 60 % - Tendenz steigend. An dieser Stelle wird oft die Kritik geäußert, dass das BMC die Daten aus Eigeninteresse beschönigt haben könnte. Die Wahrheit liegt also vermutlich in der Mitte. Fest steht, dass der Anteil an regenerativen Energiequellen stetig wächst und auch aus spieltheoretischer Sicht das Mining künftig immer grüner werden wird.
Wie steht der Energieverbrauch von Bitcoin im Vergleich zu anderen Finanzsystemen?
Auch wenn man es nicht glauben mag - tatsächlich ganz gut! Wichtig ist, dass wir zwischen Stromverbrauch und Energieverbrauch differenzieren. Der Energieverbrauch des Bitcoin-Netzwerks besteht fast zu 100 % aus seinem Stromverbrauch. Beim traditionellen Finanzsystem gibt es auch weitere Faktoren z.B. Heizen im Winter oder Kraftstoffe in der Logistik, die den Energieverbrauch beeinflussen. Laut einer Studie von Galaxy Digital aus dem Jahr 2021 fließt wesentlich mehr Energie in das Bankwesen oder den Goldabbau. Allein der geschätzte jährliche Stromverbrauch der Rechenzentren des Bankensystems liegt laut der Studie bei rund 240 TWh pro Jahr, was den mit Abstand größten Teil (ca. 90 %) des Gesamtverbrauchs ausmacht. Im Gegensatz zu den Bitcoin-Rechenzentren gibt es hierbei jedoch keine Beschwerden aufgrund des hohen Energieverbrauchs. Und übrigens: Die Menge an Strom, die bei der Übertragung und Verteilung jedes Jahr verloren geht, beträgt etwa 2.205 TWh/Jahr, also fast 20 Mal so viel wie das Bitcoin-Netzwerk (basierend auf Schätzungen der Weltbank und der IEA).
Welche Technologien und Innovationen könnten den Energieverbrauch von Bitcoin in Zukunft reduzieren?
Hoffentlich keine! Auch wenn es zunächst absurd klingt, ein hoher Energie- beziehungsweise Stromverbrauch ist im Kontext von Bitcoin tatsächlich etwas Gutes. Je mehr Energie von den Minern für die Sicherung des Netzwerks aufgewendet wird und je höher die Kosten dafür sind, desto sicherer ist das gesamte Netzwerk. Man könnte den Energieverbrauch nicht durch Technologie sondern lediglich durch höhere Kosten senken. Bitcoin benötig nicht per se „viel Strom“, sondern vielmehr „hohe Kosten“ um sicher zu sein. Würde Strom insgesamt teurer werden, würde das Netzwerk auch weniger Strom verbrauchen müssen um die gleiche Sicherheit zu garantieren. Aber viel wichtiger als den Energieverbrauch zu reduzieren, ist es den Anteil der Erneuerbaren im Energiemix, der für das Mining verwendet wird, zu erhöhen. Grundsätzlich incentiviert das Mining die Verwendung von gestrandeter, regenerativer Energie, da es ein sehr kompetitiver Bereich ist. Dass z.B. in Kasachstan Kohlestrom für das Mining verwendet wird, liegt lediglich an staatlichen Subventionen, die diesen besonders günstig machen. Dies ist aber vielmehr ein politisches Problem, als die Schuld des Bitcoin-Netzwerks. Der Fokus sollte deshalb darauf liegen, den Energieverbrauch nachhaltiger zu machen, nicht ihn zu reduzieren.
Wie kann das Bitcoin-Netzwerk langfristig nachhaltiger werden?
Das Bitcoin-Mining kann langfristig dabei helfen, bisher ungenutzte regenerative Energiequellen zu erschließen und zu monetarisieren, und so ein wichtiger Faktor für die Energiewende werden. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Industrien ist das Bitcoin-Mining nicht auf Verkehrs- oder weitere Infrastruktur angewiesen. Mining kann mit relativ wenig Aufwand an entlegenen Orten betrieben werden, an denen emissionsfreie Energie im Überfluss vorhanden und deswegen besonders günstig ist (z.B. Hydro- oder geothermische Energie). Wie oben bereits erwähnt, ist es teilweise eher ein politisches Problem, dass die Nutzung grüner, gestrandeter Energie derzeit in einigen Regionen dieser Erde durch Kohlestrom verdrängt wird. Das Bitcoin-Mining und dessen Anreizstruktur ist so designed, dass es sich theoretisch in einem freien Markt langfristig von selbst hin zu regenerativen Energiequellen entwickelt. Bisher fehlen nur (politische) Rahmenbedingungen, um den nächsten Schritt in diese Richtung zu machen. Ferner kann das Mining aufgrund seiner hohen Flexibiltät dazu beitragen, Lastenspitzen bei Wind- oder Solarstrom auszugleichen. Dies geschieht bereits heute (z.B. in Texas) und ist der Energiewende ebenfalls sehr zuträglich.
Ist der hohe Energieverbauch des Bitcoin-Netzwerks tatsächlich gerechtfertigt?
Viele Menschen, gerade in Mitteleuropa und Nordamerika, tun sich noch immer schwer damit, einen Nutzen im Bitcoin-Netzwerk zu sehen. Wenn man Bitcoin lediglich für ein „Spekulationsobjekt“ oder „Geld für Kriminelle“ hält, dann ist es nachvollziehbar, dass in diesem Zusammenhang oft von „Energieverschwendung“ gesprochen wird. Erkennt man jedoch die Vorteile, die Bitcoin als alternatives Geldsystem mit sich bringt und welche Implikationen sich für die Gesellschaft daraus ergeben, ändert man seine Ansichten zu dem Thema meist recht schnell. Oft wird hierbei vom fehlenden „intrinsischen Wert“ des Bitcoins gesprochen. Allerdings ist Wert niemals intrinsisch und stets subjektiv. Dass das Bitcoin-Netzwerk als freies, inklusives und nicht zensierbares Geldsystem für Millionen Menschen auf der Welt einen Nutzen hat, ist jedoch auch objektiv feststellbar. Ob man es für gerechtfertigt hält, dass Strom für etwas verwendet wird, das unter anderem von der Human Rights Foundation als „wichtiges Werkzeug für Menschenrechte“ bezeichnet wird, muss trotzdem jeder subjektiv für sich selbst entscheiden.
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Author: Sherry Maynard
Last Updated: 1702838042
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